Fear-less oder „Going over the edge“
Wo hätte ich besser als in Queenstown den Boden unter den Füssen verlieren können, um dadurch noch mehr innere Sicherheit und Standing zu gewinnen? Ich habe mich dazu entschieden, meine Komfortzone einmal nach oben zu erweitern und Paragliding auszuprobieren.
Perfekte Bedingungen: Sonne, die richtigen Winde und ganz viel Vorfreude auf diese Erfahrung waren mit mir am Start. Freude und Zuversicht sind die besten Mittel gegen Angst. Erstaunlicherweise habe ich wenig über den Flug nachgedacht, mir nicht vorgestellt, wie es sein würde oder was passieren könnte (die todsichere Mischung für selbst gemachtes Lampenfieber), sondern war einfach nur gespannt. Dadurch war ich sehr präsent, im Moment, und nicht in zukünftigen Vorstellungen gefangen.
Kurz vor der Fahrt zu meinem Absprung merkte ich dann, wie die Aufregung stieg. Aber noch immer überwog das sichere Gefühl in mir und Faith (mein guter Glaube und Vertrauen) war größer als alle Befürchtungen. Natürlich war der Tandem-Sprung, in dem ein Profi die Führung und Erfahrung hat, ein sicheres Polster. Oder auch nicht… Führung und Kontrolle abzugeben erfordert ebenfalls Vertrauen – und darum geht es bei Faith, wenn auch in einem größeren, universellen Zusammenhang. Erkennen wir, dass wir selbst unser Airbag und guter Copilot sein können, verlassen wir uns auf uns. Der innere Sicherheitsbeamte (Ego) kann uns in diesem Sinne positiv unterstützen, indem wir uns auf Gelingen einstellen.
Anders als beim Bungee-Sprung steht man beim Paragliding nicht am Rande des Abgrunds, sondern nimmt Anlauf und lässt sich fallen bzw. vom Wind tragen. Ich konnte gar nicht anders als mitzugehen und habe völlig auf meinen Piloten Stephen vertraut. Seine Methoden, die Angst vor dem Sprung zu nehmen, finde ich sehr klug und wir können dieses Prinzip auch im Alltag anwenden: Denke nicht zu viel über den nächsten Schritt nach. Sei im Hier und Jetzt und lasse dich tragen. Vertraue auf dich und deine Fähigkeiten. Den Fokus auf den Moment zu legen verhindert die Sorge und Phantasie über das, was kommen könnte. Mit dieser Haltung bin ich gesprungen und habe erst kurz vor dem Ende bemerkt, dass es ja auch irgendwann mal wieder herunter gehen muss. Upps. Ich hatte keine Informationen dazu, keine Erfahrung, auf die ich mich hätte beziehen können und so war ich frei, positiv zu denken und einfach zu vertrauen. Die für die Landung wichtigen Informationen würde ich schon rechtzeitig bekommen, also warum vorher dazu wilde Gedanken haben? So war es dann auch und ich konnte den Flug in vollen Zügen, ohne Ablenkung, geniessen. Fear-less.
Ich wünsche mir mehr von dieser Haltung mit in den Alltag zu nehmen. Mein Credo dafür: „Ich bin jetzt hier“. Darin ist alles enthalten. Und dann noch ein bisschen Faith und das Da-Sein wird leichter.
Im Vergleich zum Bungee Jumping ist Paragliding eine ruhige, meditative und entspannte Angelegenheit und ganz ehrlich, Bungee werde ich in diesem Leben nicht versuchen. Aber ich habe Beatrice aus Kanada nach ihrem Sprung interviewt und das gleiche Prinzip wieder gefunden, wie ich es auch genutzt habe: Nicht nach unten gucken (in die Zukunft), nicht zu lange darüber nachdenken und vor allem Freude in den Mittelpunkt stellen bzw. einen klaren Fokus haben. Und dann: Tue es!