Begrenzungen aufheben: Der Muster-Manager
Einer meiner Selbstversuche in Bezug auf das Erweitern meines Repertoires fand während einer Sport-Gruppenreise in Griechenland statt. Diese besondere Form des Miteinanders ist eine großartige Gelegenheit, Neues (und Altes) über sich selbst zu entdecken. Ich finde es immer wieder spannend, die Dynamik und heimlichen Regeln dieser zunächst als Zweckgemeinschaft gestarteten Gruppenbildung zu beobachten. Noch interessanter ist aber, mich selbst und meine Verhaltensweisen zu betrachten – und zu sehen, was dabei im Kontakt herauskommt. Wie offen und tolerant bin ich wirklich? Wie bewusst bin ich im Umgang mit mir und anderen tatsächlich? Wo begrenze ich mich mit alten Mustern und befinde mich ich der Wiederholungsschleife? Wie heißt es so schön: „Die Wahrheit beginnt zu zweit“ – und was heißt das erst bei vielen…
Mir geht es um Freiheit und mehr Selbstbestimmtheit mit mir. Bewusst das Miteinander mitgestalten zu können, mich selbst für meine Reaktion zu entscheiden und eben nicht auf Knopfdruck automatisch zu reagieren. Solange ich unbewusst meinen heimlichen Mustern folge, alte Prägung oder Bewertungen, wie man zu sein hat, nicht in Frage stelle, beschränke ich mich selbst. Nicht die anderen begrenzen mich. Sich ohne Geschichte zu begegnen und frisch herauszufinden, was den Kontakt zum anderen wahrhaft kostbar macht, fand ich lohnenswert.
Meine Forschungsfrage war daher: „Was passiert in der Begegnung und im Kennenlernen, wenn bestimmte bzw. übliche Informationen wegfallen?“ Wie nähert man sich an, welche Art von Gespräch und Kontakt entsteht, wenn ein paar der sozial üblichen und legitimen Checklisten zur Einordnung des Gegenübers nicht bedient werden?
Für mich hieß das: Ich habe mein Alter und meinen Beruf einfach zuhause gelassen und bin ohne verreist. Mir ging es nicht darum, mir eine neue Identität oder ein Wunschprofil als XY zuzulegen, sondern diese Fragen einfach offen zu lassen. Am liebsten hätte ich auch noch meine Nationalität unterschlagen, zumindest in den Straßen von Fira (Santorini). Der Versuch ging allerdings in die Hose. Denn wie in allen Touristenzentren wird man als erstes von wohlmeinenden Gastwirten, Tourischleppern und Straßenverkäufern nach der Nationalität gefragt, um dann in der Muttersprache bezirzt zu werden. Die Strategie ist klar und sicher wirksam, nur möchte ich nicht aufgrund meiner Herkunft eingeordnet werden. Mein Versuch, dem mit „Ich komme aus Europa“ zu entgehen, kam aber leider nicht gut an. Freunde hatten mir vorher noch dringend geraten, in Zeiten der Griechenlandkrise doch lieber ein neutrales Heimatland wie Schweiz, Lichtenstein oder Luxemburg vorzugeben. Aber ich wollte keine Geschichte erzählen, sondern einfach nur ohne dieses Identitätsmerkmal gesehen werden. Die irritierten Reaktionen waren mir aber zu anstrengend. Merke: In diesen Situationen vereinfacht es das Leben, das Spiel der Schubladen einfach mitzuspielen.
Mit meinen Mitreisenden konnte ich aber zumindest Teil zwei des Selbstversuches ausprobieren, indem ich meinen Beruf verschwiegen habe. Es war sehr lustig, welche Tätigkeiten mir unterstellt wurden: Journalistin, Psychologin und therapeutische Berufe waren im Angebot, sogar Coach wurde genannt – und das am Vormittag des zweiten Tages. Ich fand es sehr aufschlussreich, wie meine Art und Weise, Dinge zu vermitteln, im Dialog zu sein und Fremden zu begegnen, wahrgenommen und welche Professionen daraus abgeleitet wurden. Auch ich musste neue Gesprächsthemen finden, da ich meine Reisegefährten eben auch nicht nach ihren Jobs gefragt habe. Wir hatten einen spannenden, ungewöhnlichen und sehr lustigen Austausch. Glück gehabt, denn die Haltung dieser Gemeinschaft war geprägt von Wohlwollen und Fürsorge. Gelassenheit, Offenheit und Toleranz waren der rote Faden, der sich durch unsere Begegnungen zog. Und jede Menge Humor.
Machbar: Muster mutig managen
Am Kraterrand von Santorini habe ich für mich ein weiteres Stückchen Freiheit gefunden. Ich möchte noch mehr davon in mir entdecken und zum Alltag werden lassen. Offen zu bleiben, nicht immer automatisch – wie auf Knopfdruck – zu reagieren und selbst zu bestimmen, was jetzt das Beste ist, finde ich erstrebenswert. Wie das am Besten gelingt? Mit einem kleinen Leitsystem, dem „Muster-Manager“.
Ein Klient wünschte sich eine alltagstaugliche Möglichkeit, sich selbst aus alten Verhaltensmustern zu befreien. Gemeinsam haben wir ein Navigationssystem für ihn entwickelt, mit dem er weiter trainieren kann. Probiere es aus. Ich bin sicher, es wird auch dir neue Handlungsweisen im Miteinander ermöglichen.
Der Muster-Manager
1. Finde deine „Marker-Sätze“ und Trigger-Wörter heraus, auf die du wie auf Knopfdruck reagierst. Damit meine ich Aussagen oder Situationen, auf die du wie ferngesteuert anspringst. Das können Sätze aus deiner Kindheit sein, aber auch Bemerkungen eines alten Chefs oder deine eigenen Glaubenssätze, die für dich wie Signale sind. Oder es sind DEINE eigenen Urteile, mit denen du bestimmten Begebenheiten begegnest. Ich meine Sätze wie: „Dafür bin ich zu jung/alt/dumm…“, „So etwas tut man nicht“ oder jede Form von „nicht (gut) genug“. Nutze sie als Frühwarnsystem und erkenne an, dass dein Verhalten auf deiner Geschichte (dein guter Grund) basiert. Mehr nicht.
2. Mit dem reality check hast du es in der Hand, für dich selbst blitzschnell einen Stopper zu setzen und zu prüfen, ob du gerade das Steuer in der Hand hast oder ob du in dem Hamsterrad deiner Automatismen gefangen bist.
3. Der Kosten-Nutzen-Check lässt dich den Gewinn oder Verlust deines Verhaltens erkennen. Am besten schreibst du kurz auf, was du mit der üblichen Reaktion verdienst (wozu sie dir dient) und was du verlierst (etwas Positives für dich damit verhindert wird). Kannst du dir das leisten?
4. Um dir Unterstützung zu holen, suche dir ein paar imaginäre Verbündete, durch deren Augen du deine Situation betrachtest. Wie würden Madonna, Meister Yoda oder Nelson Mandela reagieren? Setze sie alle mit dir an deinen inneren Konferenztisch und berate dich. Gewinne durch die Technik der Identifikation eine neue Sicht und damit neue Möglichkeiten für dein Handeln.
5. Vergiss nicht, dich selbst zu fragen, was du erreichen möchtest! „Um… zu… erreichen“ ist die Schlüsselfrage, bevor es weiter geht. Dann kannst du dir gerne einen Plan machen und überlegen mit welchen Mitteln du am besten für dich sorgst. Dreiklang? Vor-Ansage? Ausprobieren?
6. Setze den reality check sofort wieder ein, falls du meinst, der Zug sei abgefahren, es lohnt sich nicht, es bringt ja doch nichts, usw.
Sprich ein inneres Machtwort und werde zum Manager deiner inneren Bewertungsmischpoke – alles nur Gesichter des Egos. Dein Verhalten ist immer das Resultat deiner inneren Haltung, begründet auf Erfahrungen, Prägungen, Gelerntem und deiner Sozialisierung. Habe dein Wohl im Auge (Wohlwollen) und verhandle in Zukunft für dich mit dir. Sorge für dich. Eine Haltung von Wohlwollen und Fürsorge ist das beste Leitsystem.